Menschen, die das bewegen

Kirchlinteln lebt von seinen Menschen. Von denen, die sich engagieren, anpacken, mitdenken – und damit Tag für Tag dazu beitragen, dass die Gemeinde nicht stillsteht. Auf diesen Seiten stellen wir vier von ihnen vor: Sie setzen sich hauptberuflich, nebenbei oder im Ehrenamt für das Gemeinwohl ein. Sie sind keine Ausnahme, sondern Beispiele. Stellvertretend für viele andere, die oft ganz leise, aber wirkungsvoll mitgestalten. Ihr Engagement zeigt: Es sind die Menschen, die den Unterschied machen – und Kirchlinteln zu dem Ort, der es ist.

 

Anneke Luig

„Zeigen, was geht!“

Anneke Luig ist Achimerin, Mutter einer Tochter, absoluter Reisefan – und die neue Gleichstellungsbeauftragte in Kirchlinteln.

Seit dem 1. Januar 2025 ist der Posten wieder eine bezahlte Stelle. Vorher war es ein Ehrenamt – aber als solches kaum auszufüllen. Das findet auch Anneke Luig, die nun noch recht frisch im Rathaus 1 sitzt. „Die Aufgabenfelder sind umfangreich – zeitlich und auch mental. Gleichstellung“, so Luig, „erledigt man nicht mal nur nebenbei.“

Luig hat Tourismuswirtschaft studiert und war schon in verschiedenen Bereichen tätig, kennt die Selbstständigkeit ebenso wie die Arbeit im öffentlichen Dienst. Sie ist eine dynamische Person, die ihre Unabhängigkeit mag. Mit dem Thema Gleichstellung kam sie jenseits des Berufs und eher unfreiwillig in Kontakt. „Meine Tochter war gerade geboren, parallel dazu wurden meine Eltern älter und plötzlich war da Bedarf. Im Haus. Im Garten. Normaler Alltag, der aber eben schwieriger wird, wenn man nicht mehr jung ist.“ Luig nahm eine Auszeit vom Beruf, hatte aber mit Nachwuchs und Unterstützung der Eltern einen vollen Tag. „Ein ziemlicher Spagat“, erinnert sie sich. „Und dieser Spagat wird mehrheitlich immer noch von Frauen geleistet und auch erwartet.“

Luig berät, sie ist ansprechbar für Themen rund um Gleichstellung, organisiert Workshops und Vorträge und ist Anlaufstelle für häusliche Gewalt: „Nicht der schönste Aspekt meiner Arbeit – aber so wichtig!“ Wurde dies in den ersten Wochen ihrer Arbeitszeit bereits in Anspruch genommen? „Ja“, sagt Luig. „Mehrfach sogar. Leider.“ Nachdenklich fügt sie hinzu: „Und gleichzeitig ist es großartig, dass Betroffene tatsächlich den Mut gefunden haben. Das kostet enorme Überwindung.“ Dabei findet Luig es durchaus praktisch, dass sie nicht direkt im Rathaus sitzt, sondern im Gebäude nebenan, bei der Polizei. Der Eingang ist weniger einsehbar – und wenn jemand gleich eine Anzeige aufgeben will oder in einer akuten Not situation ist, dann ist der Weg zu den zuständigen BeamtInnen kürzer.

Luigs Selbstverständnis: „Ich bin keine Frauenbeauftragte. Bitte nicht verwechseln.“ Früher hieß der Posten tatsächlich so, doch das hält sie nicht mehr für zeitgemäß. Luig möchte alle mitnehmen. „Finanzen, Erwerbstätigkeit, faire Bezahlung, Lebensqualität im Alter – diese Themen betreffen uns alle.“ Daher hat sie als eine der ersten Amtshandlungen einen Workshop für Männergesundheit organisiert. Die Statistiken zeigen: Frauen sind, vor allem durch regelmäßige Besuche in der Gynäkologie, spätestens ab der Pubertät regelmäßige Vorsorgetermine gewohnt. Bei Männern ist das weniger der Fall. Damit will Luig kein überreifes Klischee strapazieren, im Gegenteil. Sie möchte bestehende Hemmschwellen abbauen: „Vorsorge kann Leben retten.“

Dennoch sind es mehrheitlich Frauen, die Luigs Beratungen in Anspruch nehmen. „Aber wir haben 2025. Wir sind doch alle längst gleichberechtigt!?“ Diese These hält sich hartnäckig, im Alltag, in Unternehmen, auf Social Media. Wirklich? Luig verdreht an dieser Stelle leicht die Augen. In ihrem Umfeld wird sie auch häufig gefragt, was sie genau mache – und warum. Luig hat hier eine ganz klare Antwort: „Frauen übernehmen nach wie vor mehr im Haushalt, mehr Care-Arbeit, mehr Betreuung von alternden Angehörigen. Der Gender- Pay-Gap existiert! Frauen sind häufiger betroffen von Altersarmut. Das ist strukturell. Also ja: Wir müssen über Gleichstellung reden. Auch im Jahr 2025!“

Spätestens wenn Nachwuchs kommt, geraten Beziehungen häufig in eine Schieflage. Der Mann gibt beruflich Gas, die Frau landet in der Teilzeit-Falle – und irgendwie finden viele das nicht nur richtig, es scheint oft auch alternativlos. Selbst wenn die Eltern es anders wollen, müssen die ArbeitgeberInnen mitspielen. „Firmen werden sehr kreativ, wenn es darum geht, gute Verhältnisse für Mitarbeitende mit Kindern zu schaffen. Und wenn die Leute erst einmal konkrete Beispiele sehen, entsteht oft Offenheit, wo vorher Skepsis vorherrschte.“ Luig hat für Kirchlinteln eine Menge vor. Immer nach dem Motto: „Nicht jammern, was angeblich nicht geht – sondern aufzeigen, dass da sehr viel geht.“

 

Jens Dreger

Netzwerker mit Herz und Haltung

Von außen betrachtet wirkt Jens Dreger wie ein Mann, der kaum stillsitzen kann – und das stimmt auch. Doch wer mit ihm spricht, erkennt schnell: Hinter dem Tempo steckt kein Aktionismus, sondern Haltung, Herz und ein unerschütterlicher Wille, Dinge wirklich zu verändern.

Wenn Jens Dreger durch Kirchlinteln geht, ist er selten allein. Nicht, weil er eine Entourage um sich schart, sondern weil ihn viele kennen. Wer seit 2008 im Ort lebt, Projekte initiiert, Menschen zusammenbringt, Kindern ein neues Zuhause gibt und dabei nie den roten Faden verliert – der wird Teil der Gemeinschaft. Auch wenn er, wie er selbst sagt, „der Dazugezogene“ ist.

In Kirchlinteln kennt man ihn – lange war er „der mit der Jugendhilfe“. Ein Mann mit einem klaren Blick auf das, was nötig ist, und dem Mut, es einfach zu machen. „Ich bin kein Vereinsmensch. Kein Fußball, keine Feuerwehr, kein Schützenverein. Aber ich bin einer, der anpackt.“ Und das stimmt. Als im Frühjahr 2022 der Krieg in der Ukraine ausbrach, war es Dreger, der keine Zeit verlor. Nur einen Monat nach Kriegsbeginn organisierte er einen Hilfstransport: 15 Tonnen Hilfsmittel – gesammelt, sortiert, verladen und losgeschickt. Ziel: Tlumatsch in der Westukraine, wo er durch seine Arbeit in der Jugendhilfe und die Individualpädagogik bereits tiefe Wurzeln geschlagen hatte.

Neun Kinder aus einem ukrainischen Kinderheim waren mit dabei. Ohne Eltern. „Wir haben sie untergebracht – innerhalb eines Tages“, sagt Dreger. Ganz Kirchlinteln half mit. Bürgermeister, Bürger, Nachbarn. „Da ging es nicht um Parteien – wir waren einfach Menschen, die geholfen haben.“ Bäckerei Wöbse backte kurzerhand 100 Brote. Die ersten Fäden eines Netzwerkes, das heute trägt.

Dieses Netzwerk hat Jens Dreger maßgeblich mitgeknüpft. Er selbst nennt es einen „Selbstläufer“. Doch jeder, der ehrenamtlich arbeitet, weiß: Nichts läuft von selbst. Es braucht Menschen wie ihn – die mit Ausdauer, Organisationstalent und einem Superteam im Rücken immer wieder antreten. Auch wenn der erste Versuch scheitert. „Sowas macht mir total Spaß“, sagt er mit einem Grinsen. „Wenn man erst ein Nein hört und dann drei Jahre kämpft – und es dann doch klappt.“

Ein Beispiel: Das Stadtradeln, das er in die Gemeinde geholt hat. Fünf Ehrenamtliche stemmen das Projekt, mit wachsendem Erfolg. Auch für den Gemeinderat hat Dreger inzwischen kandidiert – auf SPD-Ticket – und ist stellvertretender Ortsvorsteher in Bendingborstel. Weil er hier mehr machen will.

Strukturiert, verlässlich, mit offenem Ohr

Sein beruflicher Hintergrund hilft: Master of Science in Sozialmanagement, dazu BWL-Fachwirt – Theorie und Praxis, Empathie und Excel in einer Person. Die Rückmeldungen, die er bekommt, klingen oft ähnlich: „Der macht immer was. Der steht zu seinem Wort. Der ist verlässlich.“ Und: „Mach mal weniger.“ Jens Dreger lächelt darüber. „Ich schlafe halt nicht viel. Vier bis sechs Stunden reichen mir. Ich freu mich jeden Tag auf das, was kommt.“

Privat findet er Ausgleich bei seiner Familie und den Tieren – und selbst da bindet er die Kinder gern ein. „Mein Antrieb ist mein persönlicher Ehrgeiz“, sagt er. Und dieser Ehrgeiz richtet sich nicht nach Karriere, sondern nach Sinn.

Kirchlinteln ist seine Wahlheimat. Doch Dreger ist nicht nur angekommen – er gestaltet mit. Er denkt weiter. Hat Ideen. Zum Beispiel alte Höfe wiederzubeleben – als Mehrgenerationenhäuser, Orte der Begegnung, mit echtem Leben statt Leerstand. „Das treibt mich um“, sagt er. „Ich sehe da großes Potenzial.“

Zwei Farben passen für ihn trotzdem nicht zusammen: „Grün-weiß geht nicht. Braunschweig ist im Blut.“ Auch das gehört dazu. Eine gesunde Portion Heimatstolz.

Jens Dreger – Netzwerker und Möglichmacher. Ein Mann, der zeigt, dass Wandel nicht laut sein muss, sondern verlässlich und mit einem offenen Ohr für die Menschen um ihn herum.

 

Marieke Rahn

„Ach, wie cool! Das macht Kirche!?“

Marieke Rahn ist 32 Jahre alt und seit einem Jahr Regionaldiakonin in Kirchlinteln. Vorher war sie mit ihrer Familie im Wohnmobil auf Reisen.

Der klassische Kindergottesdienst oder eine Andacht zu Ostern? Ja, das macht Marieke Rahn auch, aber ihr Aufgabenfeld und ihre Ideen sind andere: Sie geht auf die Menschen in der Gemeinde zu, schaut, was die Bedürfnisse sind und wo sie ansetzen kann, immer ergebnisoffen und experimentell.

Rahn nutzt vorhandene Netzwerke, arbeitet mit Vereinen zusammen – ein Win-Win für alle, man profitiert von der jeweiligen Reichweite. Sie ermöglicht Aktionen auf den Spielplätzen und Treffen in den Sommerferien, zum Erntedank einen Erlebnistag auf dem Bauernhof. Während des Kita-Streiks organisierte sie einen spontanen Co-Working-Space mit Spielgruppe. Themenbezogene WhatsApp-Gruppen gewähren ein berührendes Miteinander. Zurückhaltung, weil es von der Kirche kommt? In Kirchlinteln gar nicht. Eher kommt das Feedback: „Ach, wie cool! Das macht Kirche?!“ Rahns halbe Stelle ist zunächst auf drei Jahre befristet. Perspektive? „Wir entwickeln ein zunehmend eigenes Netzwerk, die Kinder fühlen sich wohl“, so Rahn. Fazit: „Wir würden gern bleiben.“

Mehr auf Instragram unter
@kiwi_familien

 

Sabine Kunath

„Lieblingsfarbe? Na, ganz klar: Grün!“

Sie malt nicht einfach nur Bilder – sie bannt Kirchlinteln in Öl. Sabine Kunath ist passionierte Malerin. Ihr Lieblingsmotiv: Kirchlinteln, ihre langjährige Heimat, Sehnsuchtsort und Inspiration.

Schon beim Betreten der Wohnung weiß man Bescheid: Hier lebt eine Künstlerin. Im Flur von Sabine Kunath hängen einige ihrer Werke, der Blick fällt sofort darauf. Ein Seitenblick in die kleine, gemütliche Küche offenbart auch hier: Echte „Kunaths“ an der Wand. Im Wohnzimmer geht die hauseigene Galerie weiter. Sie habe einen weiteren Raum, verrät Kunath, in dem natürlich auch Gemälde hängen. Langeweile? Kommt nicht auf. „Ich hänge alles auch immer wieder um.“

Kunath ist in Kirchlinteln aufgewachsen und der Ort ist auch ihr absolutes Lieblingsmotiv. Für die passionierte Heimatforscherin ist das eine logische Folge ihrer Familiengeschichte. Ihre Vorfahren leben bereits seit Jahrhunderten in der Region. Kunath ist gelernte Verwaltungsfachangestellte. Das Malen entdeckte sie vor über 30 Jahren. Los ging es mit Aquarellen, aber das war ihr schnell handwerklich zu eng. „In Ölgemälden konnte ich die Dinge viel besser einfangen, viel besser ausdrücken, was ich sagen wollte.“

Wie findet sie ihre Motive? „Meist beim Spazierengehen“, so die Malerin. Sie ist gerne draußen unterwegs, hat ihre Lieblingsplätze und Stammwege – und manche Motive lassen sie nicht wieder los. Sie selbst kann gar nicht so genau sagen, was einen bestimmten Ort aus einer bestimmen Perspektive für sie so spannend macht: „Das ist ein Gefühl.“

Ihre Themen: Kirchlinteln und Umgebung. In ihrer 30-jährigen Laufbahn hat sie unzählige Ansichten und Perspektiven auf ihren Heimatort gemalt, manche aus verschiedenen Perspektiven, zu verschiedenen Jahreszeiten, manche einfach so, immer wieder, weil der Platz sie einfach fasziniert. Zum Beispiel der Alte Kohlenförder Weg. Davon gibt es einen ganzen Kanon: Frühling, Sommer, Herbst und Winter. „Das Licht sieht zu jeder Jahreszeit anders aus, und die Blätter erst recht.“ Die Lieblingsfarbe von Kunath? Die Antwort ist fast schon zu offensichtlich, man muss nur hin schauen: „Natürlich grün“, sagt Kunath. „Alle Varianten von Grün.“ Rot darf im Fundus der Künstlerin allerdings auch nicht fehlen, und zwar ein ganz spezielles helles Ziegelrot, um die Kirche in Kirchlinteln genau zu treffen. Auf einigen Bildern hat Kunath die Kirche selbst zum Motiv gemacht, doch das Gebäude findet sich auf vielen Bildern, mal im Hintergrund, mal als Fassade und manchmal schaut die Spitze unauffällig, aber doch beinahe neckisch über die Szenerie hinweg. Der Ort ohne die charakteristisch rote Kirche? Undenkbar.

In dreißig Jahren hat sich nicht nur Kunaths Stil verfeinert. Auch die Motive haben sich verändert. Dreißig Jahre sind auch an Kirchlinteln nicht spurlos vorüber gegangen. Der Edeka-Markt ist umgezogen, Bäume wurden gefällt, alte Scheunen sind abgerissen worden, bevor sie in sich zusammen fallen, neue Gebäude sind errichtet worden. Was macht das mit der Malerin, die ihre Heimat so gern auf Bildern festhält – und dann werden die Bilder plötzlich fast zu historischen Dokumenten? Ein bisschen Wehmut? „Überhaupt nicht“, so Kunath. „Das einzig Beständige im Leben ist die Veränderung.“

Auch für Kunath selbst haben sich einige Veränderungen ergeben. Aus privaten Gründen ist sie von Kirchlinteln nach Verden umgesiedelt, der Ruhestand lässt ihr nun mehr Zeit für die Kunst, die immer mehr war als ein Hobby. „Jetzt habe ich die Zeit, alles zu gestalten, was ich möchte“, so Kunath. Sie geht mit ihren Werken auf Handwerkermärkte, war auch auf größeren Messen vertreten und hatte auch Ausstellungen im Müllerhaus und im Lintler Krug, eines ihrer Bilder gelangte sogar nach Miami. Eine ehemalige Kirchlintlerin wanderte dorthin aus und nahm mit dem Bild ein Stück Heimat mit. „Das macht mich schon stolz“, so Kunath.

Die Drucke gibt es in unterschiedlichen Größen und auch im Postkartenformat. Einige Karten, besonders die Vogelmotive, sind auch als Spruchkarte zu haben. Auftragsarbeiten macht sie natürlich auch: Wer Interesse hat, kann das Wunschmotiv einfach benennen – dann gibt es ein gemeinsames Gespräch über Realisierbarkeit und Konditionen.

Weitere Infos unter:
www.instagram.com/kunath_art


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